Aus dem Bundesgericht:

Die II. öffentlich-rechtliche Abteilung des Bundesgerichts fällte am 27. September 2019 ein Urteil zum Vertrauensschutz und zur Unterbrechung der Verjährung bei einer Staatshaftung. Dabei machte sie Ausführungen zum Zivilrecht, die nicht mit der Rechtsprechung der I. zivilrechtlichen Abteilung im Einklang stehen.

Nach Unwettern im Lötschental im Jahre 2011 liess eine Gemeinde Aufräumarbeiten durch die Armee ausführen. Die Eigentümer eines Grundstücks beanstandeten, die Armee habe zu viel Material abgeführt. Nach einem Augenschein hielt die Gemeinde mit Schreiben vom 6. Juli 2012 fest, dass sie «darauf hinwirken werden, damit im Rahmen einer militärischen Dienstleistung Terrainanpassungsarbeiten im Raume Ihrer Hütte […] erfolgen» könnten. Die Eigentümer verliessen sich auf diese Zusage und unternahmen lange Zeit nichts. Im Rahmen einer späteren Staatshaftungsklage war umstritten, ob die Ansprüche der Eigentümer verjährt waren.

Das Bundesgericht prüfte die Voraussetzungen des in Art. 9 BV verankerten Grundsatzes von Treu und Glauben. Es kam zum Schluss, dass die Gemeinde mit ihrem Schreiben vom 6. Juli 2012 eine Vertrauensgrundlage geschaffen habe. Wenn die Gemeinde den behaupteten Haftungsansprüchen der Grundeigentümer die Verjährung entgegenhalten wolle, so widerspreche dies Treu und Glauben.

Die II. öffentlich-rechtliche Abteilung machte auch Ausführungen zum Zivilrecht, indem sie erwog, das Schreiben der Gemeinde vom 6. Juli 2012 komme einer Schuldanerkennung im Sinn von Art. 137 Abs. 2 OR «sehr nahe, wenn nicht gar gleich». Diese Erwägung lässt sich mit der Rechtsprechung der I. zivilrechtlichen Abteilung nur schwer in Einklang bringen. Die I. zivilrechtlichen Abteilung stellt an eine Schuldanerkennung im Sinn von Art. 137 Abs. 2 OR (die zur Folge hat, dass die durch die Unterbrechung ausgelöste neue Verjährungsfrist zehn Jahre dauert) hohe Anforderungen. Unter anderem setzt sie voraus, dass die Anerkennung klar ist und der Schuldner die Forderung auch der Höhe nach anerkennt. Diese Voraussetzungen waren im beurteilten Fall nicht erfüllt, weshalb der Verweis der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung auf Art. 137 Abs. 2 OR erstaunt.

Bleibt es bei dieser Haltung der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung, sind private Staatshaftungsgläubiger gegenüber dem Gemeinwesen tendenziell besser vor dem Verjährungseintritt geschützt, als dies im Verhältnis zwischen gleichberechtigten Privaten der Fall ist.

(Urteil 2C_1098/2018 des Bundesgerichts vom 27. September 2019, besprochen von Michael Hochstrasser und Arthur Frauenfelder in AJP 2020, S. 116-119)

 

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