Hitze in Zug und Bus

Es ist Sommer. Die Zürichsee-Schifffahrtsgesellschaft hat den Betrieb auf der Limmat im Juni 2017 vorübergehend eingestellt, weil es in den Panoramabooten mit Glasdach zu heiss wurde. Passagiere schwitzen in Zug, Tram und Bus. Wie ist die Rechtslage, wenn ein Passagier einen Kreislaufkollaps erleidet, weil es im Zug zu heiss ist?

Die Transportunternehmen sind von Gesetzes wegen verpflichtet, die Passagiere wohlbehalten ans Ziel zu bringen. Auch wenn nirgendwo definiert ist, wie heiss es in einem im Zugsabteil oder im Bus werden darf, müssen die Transportunternehmen dafür sorgen, dass die Gesundheit der Passagiere nicht gefährdet wird.

Erleidet ein Passagier einen Kreislaufkollaps, weil es im Wagen zu heiss ist, stellen sich haftungsrechtliche Fragen. Der Passagier könnte versuchen, das Transportunternehmen für den erlittenen Schaden (z.B. Arztkosten oder Verdienstausfall) haftbar zu machen. Ist der Schaden auf ein für den Eisenbahnbetrieb charakteristisches Risiko zurückzuführen, greift nach Art. 40b Abs. 1 des Eisenbahngesetzes eine sog. Gefährdungshaftung. Das heisst: Das Transportunternehmen haftet un­abhängig davon, ob es am Schadenseintritt ein Verschulden trifft. Charakteristisch für den Eisenbahn­betrieb sind Risiken im Zusammenhang mit der Fortbewegung des Transportmittels oder der verwendeten Energie, beispielsweise dass man vom Zug überrollt wird. Die Gerichte fassen den Kreis weit, sodass nicht auszuschliessen ist, dass auch ein überhitztes Zugsabteil als charakteristisches Risiko angesehen werden könnte. Richtigerweise handelt es sich dabei aber um ein Risiko, das nicht dem Zug oder dem Bus eigen ist, sondern das generell besteht, wenn es im Sommer heiss ist. Fehlt es an einem charakteristischen Risiko, ist eine Haftung des Transportunternehmens dennoch denkbar, nur setzt sie in diesem Fall ein Verschulden des Transportunternehmens voraus. In jedem Fall muss die gesundheitliche Störung auf das zu heisse Transportmittel zurückzuführen sein.

Das Verschulden des Transportunternehmens liegt nicht schon allein darin, dass der Zug oder der Bus nicht klimatisiert ist. Neue und klimatisierte Transportmittel kosten Geld; die Finanzierung des öffentlichen Verkehrs ist eine vielschichtige Angelegenheit, und der Preisüberwacher steht einer Erhöhung der Billettpreise skeptisch gegenüber. Die Realität ist, dass viele Transportunternehmen notgedrungen nicht oder nur ungenügend klimatisierte Transportmittel in ihrer Flotte haben. Sie können die Fahrten aber auch nicht ohne weiteres einstellen, wenn es heiss wird. Nach Art. 12 des Personenbeförderungsgesetzes besteht nämlich eine Transportpflicht für die Unternehmen des öffentlichen Verkehrs. Eine Einstellung des Betriebs wäre auch nicht im Interesse der Passagiere.

Auch die Eigenverantwortung des Passagiers spielt eine Rolle. Älteren und gesundheitlich angeschlagenen Personen sowie Säuglingen wird empfohlen, die grösste Hitze zu meiden. Dementsprechend sollte auch eine Zugsfahrt, wenn möglich, in die kühleren Morgen- oder Abendstunden verlegt werden. Die Kleidung sollte den Temperaturen angepasst sein und etwas Wasser mitgeführt werden. Wer schon am Morgen Mühe mit Atmen hat, am Mittag auf den Zug rennt und den Krawattenknopf nicht lockert, muss sich unter Umständen ein Selbstverschulden anrechnen lassen.

Auf der anderen Seite sind die Transportunternehmen gut beraten, vor den Gefahren der Hitze zu warnen und auf alternative Verbindungen mit gekühlten Wagen hinzuweisen. Das Zugspersonal sollte ein besonderes Auge auf die Risikogruppen haben und bei Bedarf Wasser oder Kühlbeutel verteilen.

Auch bei der Sommerhitze ist der gesunde Menschenverstand einzuschalten. Wenn alle Seiten Rücksicht nehmen und es gar nicht erst zu einer gesundheitlichen Schädigung kommt, stellt sich auch die Frage nach der Haftpflicht nicht.

Siehe auch den am 24. Juni 2017 erschienenen Artikel im Landboten.

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